Maßnahmen gegen illegale „Spaziergänge“ – Ihr Antrag vom 28.01.2022, Nr. 8
Sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte,
ich nehme Ihre Sorge um die Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei den Corona Spaziergängen sehr ernst.
Die Stadtverwaltung ist in ihrer Funktion als Versammlungsbehörde dazu verpflichtet,_ auf der Grundlage einer faktenbasierten Gefahrenprognose einerseits die Wahrnehmung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit zu gewährleisten und andererseits die öffentliche Sicherheit und Ordnung für Beteiligte wie Unbeteiligte vor Übertretungen und Eingriffen zu schützen. Dabei sind der friedliche Verlauf und die Gewaltfreiheit der Versammlungen leitende Ziele unserer Erwägungen und Maßnahmen. Um diese Ziele im Spannungsfeld zwischen freiheitlicher Grundrechtsausübung und rechtsstaatlicher Sicherheitsgewährleistung zu erreichen, halten wir uns streng an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den uns unsere Verfassung in Art. 20 Abs. 3 GG vorgibt. Damit erfüllen wir die „grundrechtsschonende Begleitung der Versammlung durch die Versammlungsbehörde“, wie sie vom Bundesverfassungsgericht im jüngsten Beschluss vom 31.01.2022 betont wurde.
Um der Situation gerecht zu werden und die Entwicklung zu deeskalieren, helfen pauschale Aussagen „die Ortspolizeibehörde toleriere jegliche illegale Form von Demonstrationen“ oder vereinfachende Vergleiche zwischen Falschparkern und „illegalen“ Spaziergängern nicht. Es bedarf vielmehr präziser Analysen und differenzierter Beurteilungen. Dazu gehört, dass die Spaziergänge nicht per se illegale Versammlungen sind, weil sie nicht angemeldet w erden. Strafbar machen sich nur diejenigen, die dazu aufrufen oder einladen. Ordnungswidrig verhält sich, wer gegen die angeordnete Maskentragepflicht verstößt. Alle anderen Teilnehmer sind nicht sanktionierbar und nehmen legal an den Spaziergängen teil.
Richtig ist, dass beim ersten „Spaziergang“ am Montag, den 24.01.2022, nach Erlass der Allgemeinverfügung über die Maskentragepflicht aufgrund der kurzfristigen Bekanntmachung die Maßnahmen der Versammlungsbehörde und der Polizei noch nicht vollständig ausgeschöpft wurden. Inzwischen wurden jedoch weitere Schritte zur Durchsetzung der Maskentragepflicht während der Versammlungen ergriffen. Die Teilnehmer werden bereits im Vorfeld durch Antikonflikt-Teams der Polizei angesprochen und durch wiederholte Lautsprecherdurchsagen auf die bestehende Maskenpflicht hingewiesen. Je nach Kräftelage der Polizei erfolgen zudem Ansprachen und Kontrollen, welche bei Weigerung zur Einleitung von Bußgeldverfahren führen. So sind mittlerweile (Stand 16.02.2022) rund 260 Bußgeldverfahren wegen des Verstoßes gegen die Maskentragepflicht erfasst worden. Ferner sind 42 Strafverfahren gegen einzelne Teilnehmende, insbesondere wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, eingeleitet worden.
Nachdem die Spaziergänge seit Anfang Februar 2022 zunehmend Party- und Eventcharakter annehmen, wird nun in einem weiteren Schritt die bestehende Allgemeinverfügung um verschiedene Verbote ergänzt. So wird der Verzehr von Speisen und Getränken untersagt sowie das Mitführen alkoholischer Getränke zum Konsum und der Betrieb von Lautsprecherboxen verboten.
Ob danach als weiterer Schritt ein präventives Versammlungsverbot erforderlich und angemessen ist, bleibt der weiteren Entwicklung der Lage und der Aktualisierung der Gefahrenprognose vorbehalten. Ich versichere Ihnen jedenfalls, dass eine Beobachtung der Lage und Neubewertung der ergriffenen Maßnahmen hierzu täglich in engem Schulterschluss mit der Polizei stattfindet.
Von den versammlungsrechtlichen Erfordernissen gänzlich zu trennen ist die politische Bewertung der Spaziergänge, der von ihnen ausgehenden Stimmungsmache und Hetze sowie der in den sozialen Medien kursierenden Bedrohungen. Ich habe mich gegen die davon ausgehenden Gefahren für unser freiheitliches, friedliches und solidarisches Zusammenleben in meiner Funktion als politischer Repräsentant der Stadt Ulm zusammen mit Frau Oberbürgermeisterin Albsteiger und den Herren Landräten Scheffold und Freudenberger in einem gemeinsamen Aufruf bereits am 14. Januar 2022 eindeutig positioniert. Mittlerweile haben sich diesem Aufruf rund 3.000 Einzelpersonen und Institutionen angeschlossen. Soweit noch nicht geschehen, lade ich Sie herzlich ein, sich diesem Aufruf anzuschließen.
Mit freundlichen Grüßen
Gunter Czisch